Erinnerungen an Louis Hardy

Als die BG im Sommer 1975 gegründet wurde, dachte sicher noch niemand daran, dass eine sehr erfolgreiche Zeit bevorstand. Bereits 1977 gelang der BG der Aufstieg in die 2. Basketball-Bundesliga. Allerdings wollten alle älteren Leistungsträger der Aufstiegstruppe kürzertreten und nicht mehr in der ersten Mannschaft spielen.

Eilper Legenden wie, Gerd Halama, Bob Sloan und Coach „Hasi“ Longerich spielten zukünftig in einer der damals schon zahlreichen unterklassigen BG-Teams oder anderswo im Hagener Umfeld. Nur „Klopfer“ Heusinger hing von der alten Garde noch eine Saison dran. Was sonst blieb waren einige hoffnungsvolle Talente wie z.B. Uwe Welzbacher, „Jolly“ Tempelmann, Ralf Beckmann und Olaf Reschop. „Baba“ Oberland und mich erwischte der seinerzeit bereits vollkommen basketballverrückte Fredi Rissmann in der damaligen Kult-Kneipe Simpl in Wehringhausen, dem seinerzeitigen ultimativen Basketballer-Treff in Hagen, und versuchte uns von unserem damaligen Verein BSC Hagen weg zu lotsen und nach Eilpe zu holen. In den Kader der ersten Mannschaft.

Wir spielten gerade einmal 2 Jahre Basketball, waren zu ganz passablen Landesliga-Spielern geworden, aber 2. Bundesliga? Haha, wie sollte das gehen? Doch Fredi zog noch einen Trumpf und verkündete, wie immer natürlich noch geheim, dass eine Basketball Ikone, ein ehemaliger Nationalspieler, Olympionike und Deutscher Meister Trainer der Eilper werden sollte. Jochen Pollex! Der Jochen Pollex, den Baba und ich noch kurze Zeit vorher in der alten „Ische“ und auch bei zahlreichen Auswärtsspielen angefeuert hatten. Die Sache war geritzt. Wir sagten ein paar Tage später zu, zumindest was mich angeht mit gehörigem Respekt und auch etwas Angst.

Im Rausgehen warf Fredi noch ein „Ach so, ein guter „Ami“ – wie es damals flapsig, aber bei Basketballern natürlich mit einer großen Portion Ehrfurcht, hieß – kommt auch noch“.

Und dann kreuzten sich die Lebenswege von uns mit dem von Louis Hardy, geboren 1955 in Chicago, für viele Jahre. Lou hatte im Basketballteam seiner Alma Mater in Akron, Ohio, eine ziemlich gute Saison gespielt, wie die vom Spielervermittler gelieferten Daten zeigten. Ich glaube Fredi Rissmann selbst war es, der Lou zu Beginn der Vorbereitungsphase am Airport Frankfurt abholte.

Ich wartete in der Eilper Rundturnhalle auf die Ankunft und stand als damals 18-jähriger knapp 2 Meter großer Schlacks plötzlich einem Modell-Athleten gegenüber, zu dem ich noch aufschauen musste. 2,06 Meter bei 103 Kilogramm. Mein Respekt vor den anstehenden Aufgaben wuchs noch mehr. Schnell waren einige schüchterne englische Begrüßungsfloskeln ausgetauscht, man sah sich beim Training.

Und dann ging es los. Jochen Pollex scheuchte uns, wie ich es noch nie erlebt habe und ich denke allen anderen inklusive Lou ging es genauso. Medizinball statt Basketball, Fleyer Wald statt Halle. Ich und andere haben nicht nur einmal die Mahlzeiten des Tages mitten im Training im Fleyer Wald ausgespuckt. Bei mir ging das soweit, dass ich den Fleyer Wald einige Jahre gehasst habe. Heute ist das natürlich nicht mehr so. Jedenfalls habe ich nie wieder, nicht einmal einige Jahre später beim „tschechischen Schleifer“ Josef Martinek, eine solch harte Vorbereitungsphase absolviert. Natürlich profitierten wir auch von Jochens riesigem Erfahrungsschatz, seinen technischen und taktischen Hinweisen. Und wir profitierten auf dem Feld von Louis Hardy, der von Anfang an ein Leader war.

Die sportliche Geschichte der ersten Zweite-Bundesliga-Saison der BG begann mit einem weiteren „Knaller“. Denn im allerersten Spiel trat der USC Münster in Eilpe an und dort spielte auf seine alten Tage eine weitere Hagener Basketball-Ikone, nämlich Jimmy Wilkins. Ehemaliger Mannschaftskollege und Deutscher Meister gemeinsam mit unserem Trainer Jochen Pollex. Wir zogen uns achtbar aus der Affäre, doch auch Lous 23 Punkte konnten die erste Niederlage nicht verhindern. Das mit diesem Spiel verbundene Highlight für die Hagener Basketball-Fans dokumentierte aber ein Zeitungsfoto am folgenden Tag. Lou Hardy, Jochen Pollex und Jimmy Wilkins fachsimpelnd nebeneinander auf einer Bank sitzend. Namen, die im Geschichtsbuch des Hagener Basketballs Kapitel füllen.

Der Rest der Saison ist schnell erzählt. Wir gewannen in der regulären Spielzeit das erste Auswärtsspiel in Quakenbrück und anschließend nichts mehr!. Zum Glück gab es damals aber neben einer Meisterrunde auch eine Abstiegsrunde. Nach einer langen Saison waren viele Teams angeschlagen und müde. Jochen Pollex der Fuchs und der Fleyer Wald hatten aber dafür gesorgt, dass wir noch vor Kraft strotzten.

Lou Hardy mit 30-Punkte-Spielen in Serie, Jochen Pollex der selbst noch einmal die Basketballschuhe anzog und unser Spiel stabilisierte und unser Kampfgeist waren die entscheidenden Faktoren für eine Siegesserie. Letztendlich machten wir im letzten Spiel in Pinneberg den nur wenige Wochen zuvor nicht mehr für möglich gehaltenen Klassenerhalt klar. Dass die BG bei allem sportlichen Ehrgeiz immer auch zu feiern verstand, zeigte sich natürlich auf der Rückfahrt. Lou immer mittendrin. Überhaupt zeigte unser Topscorer auch außerhalb des Spielfeldes seine Qualitäten. Lou lernte schnell deutsch, war aufgeschlossen, an vielem interessiert, sympathisch und in der Stadt bald bekannt wie der berühmte bunte Hund.

Er begleitete uns häufig auch auf die Preseason-Turniere etwa in Ibbenbüren, Cuxhaven oder Westerstede. Er passte einfach unglaublich gut zu uns und konnte das Lied von den „Eilper Jungens“ und weitere Gesänge schon früh anstimmen.

In der folgenden Spielzeit machten wir den Klassenerhalt schon wesentlich früher klar. Dann stand die Saison 79/80 vor der Tür. Volker Cornelissen kam als Trainer aus Schalke und brachte den Aufbauspieler Detlev Fronda mit, Volker Borggräfe kam aus Münster zurück nach Eilpe und mit Josef „Joschko“ Martinek kam ein weiterer Hagener Basketball-Held und Deutscher Meister von 1974 zur BG. Neuzugänge um die Mannschaft um Lou Hardy und die inzwischen auch 3 Jahre älter gewordenen Jungspunde gezielt zu verstärken. So waren auch die Erwartungen höher. Man wollte nicht mehr gegen den Abstieg spielen, sondern in die Aufstiegsrunde. Der Plan ging auf, Lou Hardy und Josef Martinek erzielten regelmäßig 20, 30 und mehr Punkte. Der Rest punktete kontinuierlich und abwechselnd waren immer 2 – 3 Spieler dabei, die auch zweistellig scoren konnten. So spielten wir die ganze Saison oben mit, mal Tabellenführer, mal 2. oder 3.

Den ersten Matchball hatten wir dann beim Auswärtsspiel in Berlin, genau beim DTV Charlottenburg. Auf der Hinfahrt gab es an der damaligen „Zonengrenze“ das übliche Procedere. Louis und Joschko wurden mit amerikanischem Pass bzw. tschechischen Wurzeln von den Vopos aus dem Bus „gebeten“ und näher begutachtet. Das dauerte dann meist ein paar Minuten, manchmal aber auch eine halbe Stunde. Zum Glück gibt es das heute nicht mehr. Wir ließen uns von dem Theater nicht beirren und waren auf das Spiel fokussiert.

Ich kann sagen, dass ich mich in meiner aktiven Zeit an kaum ein Spiel erinnern kann, in dem beide Mannschaften so konzentriert zu Werke gingen, insbesondere in der Defense. Da wurde kein Zentimeter Raum hergegeben. Charlottenburg schenkte uns garnichts. Louis und Joschko blieben aufgrund der harten Verteidigung mit 20 bzw. 15 Punkten unter ihrem Schnitt, aber fast alle anderen trugen sich in die Scorerliste ein. Eine „beeindruckende mannschaftliche Geschlossenheit und diszipliniertes Vorgehen“ war dann später in den Gazetten zu lesen. 2-Punkte-Führung für uns zur Halbzeit. In Hälfte zwei ließen wir nur noch 23 Charlottenburger Punkte zu und setzten uns ganz langsam Pünktchen für Pünktchen ab. Schlusspfiff, 70 : 61 für BG Hagen.

Zweitligameister, Aufsteiger in die erste Liga, unbeschreiblicher Jubel, da nie für möglich gehalten. Irgendjemand war bestens vorbereitet, Sekt und Zigarren gab´s jedenfalls unter der Dusche. Und natürlich das Lied von den „Eilper Jungens“.

Anschließend machten wir die Nacht zum Tage, machten den Ku`damm unsicher, verbrachten Stunden in der Großdiskothek „Big Eden“ bei unfassbar lauter Funk-Musik und brauchten unsere Hotelzimmer kaum. Auf der Rückfahrt ging´s natürlich weiter. Fredi Rissmann hatte sich damals schon angewöhnt, und zwar egal ob wir Meister oder später auch mal Absteiger waren, bereits auf diesen Busfahrten einzelne Spieler weiter zu verpflichten. Dazu wartete der Schlingel die ersten Bierrunden ab.

Ich habe nie rausbekommen, ob er dabei jemals eine Absage erhalten hat. Der Kern der Mannschaft blieb jedenfalls auch in der Erstliga-Saison zusammen. Auch zuhause ging die Party weiter. Es gab viele Ehrungen und wir schafften es sogar in den „Kicker“. Eine ganze Seite widmete die Fußballzeitung unserem Aufstieg. Lou Hardy wurde außerdem Werbeikone. In einer berühmten – oder soll ich berüchtigten sagen – deutschen Sonntagszeitung war eine ganzseitige farbige Anzeige einer großen deutschen Kaufhauskette abgedruckt. Im Vordergrund zwei männliche Models, trendy gekleidet, daneben Louis im Sportdress unterm Korb. Wer´s nicht glauben will, ich habe Kicker und Anzeige noch zuhause in meinem kleinen Archiv.

Die Geschichte der Erstligasaison kennen viele. Die „kleine“ BG war aus vielen Gründen eigentlich nicht in der Lage, in dieser Liga zu spielen. Louis Hardy aber zeigte auf jeden Fall, dass er auch in größeren Vereinen hätte spielen können. Denn er wurde in dieser Saison Topscorer der Bundesliga!

Der bisher größte sportliche Erfolg der BG wird immer mit dem Namen Louis Hardy verbunden sein. Lou blieb uns noch bis 1984 erhalten. Unterbrochen von einem Jahr beim SV Boele-Kabel. Dann trennten sich unsere Wege. Leider sind wir uns anschließend nicht mehr oft begegnet.

Ich denke aber noch oft an dich. Insbesondere wenn wir mit der Oldie-Truppe unterwegs sind, werden die alten Geschichten aus dem Feuervogel, von Fredis Partys in seiner damaligen Altenhagener Wohnung oder von diversen Fahrten erzählt. Fast immer denke ich aber an dich, um noch eine letzte Anekdote zu erzählen, wenn ich Forellen auf den Grill lege.

Es war nach einem Heimspiel in der Rundturnhalle und wir waren zum Essen geladen in der damaligen Eilper Traditionsgaststätte „Zum Kurfürsten“. Wirt Udo Göbel hatte gesteckt bekommen, dass du – zumindest vorübergehend – auf Fleisch verzichten wolltest. Wir, die wir damals riesige Portionen verdrücken konnten, hätten wahrscheinlich fast jeden nach einer solchen Aussage veräppelt. Bei dir klang das authentisch und wir haben das fast kommentarlos hingenommen.

Jedenfalls hatten wir Schnitzel und Berge von Fritten auf dem Teller, während Udo Göbel dir zwei Forellen mit Salat servierte. Du schautest auf den Teller und fragtest dann Udo nach Ketchup, den er dir auch sofort brachte. Anschließend, Fisch muss schwimmen, schwammen deine im Ketchup. Dir hat es dann sichtbar geschmeckt. Ich hab das später mal probiert. Es ist nichts für europäische Gaumen. Aber, immer wenn ich Forellen sehe, muss ich daran denken.

Es war ne geile Zeit. R.i.P. Louis Hardy (ehemaliger Capitän Michael „Lonzo“ Diehl)